Von der Notwendigkeit, um Frieden zu bitten – Was von der Bildebene eines Gleichnisses zu lernen ist

B-L-O-K aktuell

Vom Frieden spricht Jesus bekanntlich oft, am lautesten gewiss in der sog. Bergpredigt, einmal aber spricht er auch vom Führen eines Krieges:

„Oder wenn ein König gegen einen anderen in den Krieg zieht, setzt er sich dann nicht zuerst hin und überlegt, ob er sich mit seinen zehntausend Mann dem entgegenstellen kann, der mit zwanzigtausend gegen ihn anrückt? Kann er es nicht, dann schickt er eine Gesandtschaft, solange der andere noch weit weg ist, und bittet um Frieden.“ (Lk 14, 31 und 32)

Es geht Jesus in diesem Gleichnis um ein weiteres Bild vernünftigen Handelns. Unmittelbar vorher war die Rede von einem Turmbau, bei dessen Errichtung ein Bauherr zuerst berechnen sollte, ob man den Bau auch zu Ende führen kann. Sonst würden „alle, die es sehen, (…) ihn verspotten, (…) Der da hat einen Bau begonnen und konnte ihn nicht zu Ende führen.“

Solche Gleichnisse, wie alle Geschichten, gehen aber nie vernünftig nur in einem Sinn auf, sie sind vieldeutig, sprechen zu den Lesern und Leserinnen immer auch vor dem Hintergrund aktueller Situationen. Vor dem Hintergrund unserer aktuellen Situation, vor dem Hintergrund des furchtbaren Krieges in der Ukraine, fesselt die „Bildebene“, die erzählte Welt des Gleichnisses in ganz besonderer Weise. Wenn es heißt, „ob er sich mit seinen zehntausend Mann dem entgegenstellen kann, der mit zwanzigtausend gegen ihn anrückt“, dann ist augenscheinlich von einem Verteidigungskrieg die Rede! Selbstverständliche Pflicht des Königs sei es, zu prüfen, ob er den Krieg gewinnen kann. Wenn daran Zweifel bestehen, dann sei es vernünftig, so früh wie möglich eine Gesandtschaft zu schicken und um Frieden zu bitten. Mit keiner Silbe wird die Frage nach Recht und Unrecht berührt, es geht allein um das, was vernünftiges Handeln ist: „Jeder Mensch und erst recht jede Obrigkeit hat die absolute Pflicht, sinngemäß zu handeln und das Ende zu bedenken“ (Franziskus M. Stratmann OP). Das kleine Gleichnis in Lk 14 ist eine Illustration dieses friedensethischen Satzes, der von 1931 stammt. Damals wurde in Europa diskutiert, wie mit dem bolschewistischen Moskau umzugehen sei, ob ein Angriffskrieg gegen Moskau im Sinne einer „Bekämpfung des Bolschewismus“ erlaubt sei oder wenigstens ein Verteidigungskrieg, wenn der Bol­schewismus auf Europa ausgreift. Stratmann verneint beides, denn wenn „der Verteidiger ebenso viel und noch mehr Güter und Menschen verliert wie der An­greifer“ sei eine solche Verteidigung nicht mehr ‘sinngemäß`, also vernünftig. Vernünftig wäre dann, so wie in Lk 14 beschrieben, eine „Gesandtschaft“ zu senden, und um Frieden zu bitten. Es geht um eine Haltung möglichst weitgehender Schadensvermeidung aus Vernunftgründen. Die alte friedensethische Traditionslinie des „Gerechten Krieges“, von der Stratmann ausgeht, spiegelt sich in Bezug auf diesen Aspekt also bereits im Verhalten des Königs in der erzählten Welt von Lk 14!  Verblüffend für uns ist auch, wie selbstverständlich davon ausgegangen wird, dass solche Bitte Gehör finden wird. Es scheint selbstverständlich, dass mit jedem zu reden, zu verhandeln ist.

Lk 14,31-32, ein winziges Bruchstück jesuanischer Verkündigung, friedensethisch kaum je bedacht, enthält viel Stoff zum Nachdenken, gerade in Bezug auf die aktuelle Kriegssituation in der Ukraine und auf die Frage, wie darauf praktisch politisch und friedensethisch zu reagieren ist.

(der Aufsatz von Stratmann findet sich jetzt neu unter: Höhn / Nauerth / Spiegel (Hg.), Frieden als katholische Aufgabe. Leben und Werk von Franziskus M. Stratmann OP (Dominikanische Quellen und Zeugnisse 26), Freiburg 2022, 226-241)