Daniel in der Löwengrube

Materialien zu biblischen Texten

Liebes Tagebuch,
ich muss dir unbedingt von meinem tollen Tag in der Schule erzählen. Wir haben heute über Löwen gesprochen. Wie ich dir schon einmal erzählt habe, gehören Papa Darius mehrere Löwen, die er in einer großen, tiefen Grube hält in der die bösen Menschen reingeworfen und dann aufgefressen werden. Stell dir vor, bisher ist noch keiner lebendig aus der Grube wieder herausgekommen. Aber was ich eigentlich erzählen wollte ist, dass ich jetzt weiß wieso Papa Löwenskulpturen vor den Eingang unseres Palastes aufstellen lassen hat. Sie bewachen uns und geben uns Sicherheit und sind außerdem ein Zeichen von Papas großer Macht. Unsere Feinde sollen sich davor fürchten. Löwen werden ja schließlich nicht umsonst als die Könige unter den Tieren bezeichnet. Wenn ich einmal groß bin und einen riesigen Palast habe, dann werde ich selber auf die Jagd gehen und den größten Löwen, den es je zu sehen gab töten und ihn als Zeichen meiner Macht und meines Mutes vor meine Stadtmauern aufhängen. Dann trauen sich die Feinde erst gar nicht uns anzugreifen. Ohja das ist mein Traum. So ich muss jetzt schlafen. Gute Nacht und bis die Tage.
Dein Freund Fahrid

Liebes Tagebuch,
na wie geht es dir? Sag mal, wusstest du, dass mein Papa um die 120 Satrapen hat? Das finde ich ganz schön viel. Ach ja ein Satrape ist eine Art Stadthalter, der in einzelnen Bezirken Papa bei der Verwaltung hilft, nicht das ich davon erzähle und du dir die Frage stellst, was das überhaupt ist. Und über diesen Satrapen hat er nochmal drei Fürsten gesetzt, die die Satrapen kontrollieren, damit diese keine listigen Pläne gegen Papa schmieden. Das kann nämlich immer mal vorkommen (hat mir Papa letztens erzählt), weil viele ganz neidisch auf seine Herrschaft und sein großes Königreich sind. Unter den Fürsten gibt es einen, den Papa Darius total gerne mag. Er heißt Daniel. Papa schwärmt regelrecht von ihm, weil er so schlau und verlässlich ist und immer tolle Ideen hat, wenn es um das Lösen von Problemen geht. Papa sagte, wenn ich das richtig behalten habe, dass Daniel einen vorzüglichen Geist besäße, auch wenn ich nicht genau weiß was das bedeutet. Es hört sich auf jeden Fall sehr besonders an. Den möchte ich unbedingt kennen lernen. Er weiß bestimmt, wie ich es am besten schaffe einen Löwen zu töten. Ich werde ihn die Tage aufsuchen. So, ich muss jetzt zum Abendessen. Wir schreiben!
Dein Freund Fahrid

Liebes Tagebuch,
es ist mitten in der Nacht und ich bin total aufgeregt und niedergeschlagen. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich bin so traurig und geschockt. Papa hat Daniel in die Löwengrube werfen lassen! Obwohl er das selber eigentlich gar nicht wollte. Papa läuft gerade die ganze Zeit über den großen Flur und ist am stöhnen und weinen. So habe ich ihn noch nie erlebt. Normalerweise schläft er immer wie ein Stein und ist durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Nun will ich dir aber erst einmal erzählen, wie es dazu gekommen ist.
Es fing alles damit an, dass die anderen beiden Fürsten Daniel nicht gerne mochten, weil er eben so schlau und treu war, Papa ihn so gern hatte und ihm zutiefst vertraute. Er wollte Daniel die Verantwortung über das ganze Königreich geben. Daraufhin waren die anderen beiden Fürsten natürlich sehr neidisch und haben sich zusammen mit den Satrapen ein Verbot überlegt. Wer dieses Verbot missachten würde, der würde sofort in die Löwengrube geworfen werden. Und was das bedeutet weißt du ja.
Das Verbot besagte, dass 30 Tage lang nur Bitten vor den König, also vor Papa gebracht werden durften, nicht aber vor anderen Menschen oder anderen Göttern. Da war ich zunächst ganz stutzig. Wärst du doch auch gewesen oder? Das ist doch kein negatives Verbot. Da kann Papa sich doch freuen, wenn alle zu ihm kommen. Und Daniel war doch immer so getreu gegenüber Papa. Was sollte da schon passieren?
Aber jetzt kommt das Verrückte. Daniel hat einen eigenen Gott und er kniete wohl bisher jeden Tag dreimal lobend und betend vor ihm nieder, sagte Papa. Kannst du dir das vorstellen? Wie kann man sich denn einen Gott aussuchen und sich für einen entscheiden bei der großen Auswahl? Und trotz des Verbotes hat Daniel weiterhin seinen Gott angebetet. Der muss ihm dann aber ganz schön viel bedeutet haben. Jedenfalls haben die Satrapen das mitbekommen und Daniel an Papa ausgeliefert. Der war alles andere als begeistert und hatte ein ganz schlechtes Gewissen gegenüber Daniel, ihn in die Löwengrube werfen zu müssen. Aber ein Gesetz ist nun mal Gesetz, haben die anderen da gesagt! Da dürfe man auch nichts mehr daran ändern. Papa hatte also gar keine andere Wahl. Ist das nicht traurig und schrecklich? Dabei wollte ich doch noch mit Daniel wegen dem Löwenfang reden und jetzt wird er selber von ihnen gefressen. Um mich zu trösten hat Papa vorhin noch zu mir gesagt, dass der Gott zu dem Daniel immer betet, ihn bestimmt retten wird. Dabei glaubt und kennt Papa doch gar nicht diesen Gott. Woher will er das dann wissen? So viele Fragen schwirren in meinem Kopf. Ich versuche mich jetzt schlafen zu legen. Ich schreibe dir Morgen nochmal. Gute Nacht.
Dein Freund Fahrid

Liebes Tagebuch,
du wirst es nicht glauben. Ich kann es selber gar nicht glauben. Daniel lebt. Ja du hast richtig gehört. Daniel lebt. Er hat in der Grube der gefährlichen, mächtigen Löwen, in der bisher niemand lebendig herausgekommen ist, überlebt. Ich bin heute Morgen als die ersten Sonnenstrahlen hervorkamen mit Papa zur Grube geeilt und da saß Daniel unverletzt und total entspannt neben den Löwen. Ich habe gedacht ich träume. Daniel rief zu uns hinauf, dass sein Gott einen Boten geschickt habe, der die Münder der Löwen verschlossen habe. Was muss das wohl für ein starker Bote gewesen sein, der es mit den Löwen aufnehmen konnte. Den würde ich ja gerne mal kennen lernen.Und weißt du was, Papa fiel nach den Worten Daniels sogar auf die Knie und dankte dem Gott, der Daniel gerettet hat. Sowas habe ich noch nie von Papa gesehen. Er scheint ihm jetzt zu vertrauen. Es muss ja auch ein unbegreiflich großartiger Gott sein, auf dem man sich in der Not verlassen kann. Ich würde ihn auch sehr gerne kennen lernen, noch lieber als den starken Boten, der es mit den Löwen aufnehmen konnte. Ach, weißt du was, ich werde jetzt gleich zu ihm sprechen und ihn fragen, ob er mich beschützen kann, wenn ich später losziehe, um den größten Löwen aller Zeiten zu töten. Danach werde ich dir berichten, was er gesagt hat. Bis bald.
Dein Freund Fahrid

aus: Nicole Hausmann, Daniel in der Löwengrube Tagebucheinträge des königlichen Sohns Fahrid